Mein Camper und ich (22)

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Josef Willi - Mein amerikanisches Riesending

Praktisch jedes Jahr am Caravan Salon in Bern lief ich in der Aussenausstellung bei den amerikanischen Wohnwagen-Aufliegern vorbei und staunte, was das für Gefährte sind.

Innerlich sah ich mich immer wieder, wie ich mit so einem Teil unterwegs bin. Träumen darf man ja. Im Jahr 2018, wieder am Salon, ergab sich die Möglichkeit, einen Auflieger von innen zu bestaunen. Meine Freundin konnte sich bis dahin nie vorstellen, mit so einem Riesending zu campieren. 

Für sie schien es absolut unmöglich, bis sie im Wohnwagen-Auflieger war. In Sekunden überzeugt, kamen sie und die Kinder nicht mehr aus dem Schwärmen. Der Berater meinte noch so nebenbei, dass er eine eigene Winterausstellung im November organisiere.

Der November kam und wir waren an dieser Ausstellung. Da stand er nun! Ein Auflieger, der keine Wünsche mehr offen lässt. Freundin, Kinder und natürlich ich waren definitiv nur noch begeistert. Marke: Rockwood 8286WS. Gross, breit, hoch, mit allem erdenklichen Zubehör. 

Traum gegen Vernunft - Traum hat gesiegt

Und noch an diesem Tag war der Kauf perfekt. Auflieger: 10 m lang, 2,5 m breit, 3,9 m hoch und 4,5 t schwer. Zwei Slide-Outs, Schlafzimmer mit Doppelbett, Schlafzimmer mit drei Betten, echtes Wohnzimmer usw. Richtiger Esstisch, ausziehbar, mit echten Holzstühlen, Sofa im Wohnzimmer, alle Möbel sowie alle Türen in Echtholz, Doppelboden mit Lüftungsgitter für Heizung integriert, Deckenventilator, Klimaanlage, Küche mit Backofen, Mikrowelle, grosser Tiefkühler, riesiger Kühlschrank, TV im Schlafzimmer, TV im Wohnzimmer, inkl. Aussenküche mit Kühlschrank.

Zubehör ohne Ende. Beim ersten Betrachten alles top. Wir Europäer sind aber sehr detailbewusst. Hier ist es dann bald fertig und so ist nach dem ersten Staunen das Erstaunen da. Da rate ich nur: Details bitte nicht anschauen. Wie kann man nur so arbeiten? Überall Deckleisten, Schaum, um Schlitze und Löcher abzudichten, Kabel verlegt, ohne zu befestigen. Das Herstellerland lässt grüssen.

Der Auflieger war gekauft, jetzt fing die eigentliche Herausforderung erst an. Ein Zugfahrzeug musste her, doch was für eines? Die Voraussetzung war klar: ein Pickup, bei dem eine Sattelkupplung montiert werden kann und zirka 1 t Gewicht auf der Brücke erlaubt ist. Der Dogde Ram 1500 ist das einzige Fahrzeug, das momentan eine solche Zulassung bekommt (seit 2018 muss eine DTC-Bescheinigung für die Sattelkupplung beim Vorführen vorhanden sein). Nach diversem Hin und Her war nach vier Monaten das Auto da. Gemäss Ausweis ist das jetzt ein Sattelschlepper. Vorgeführt mit Sattelkupplung und erst als zweites Auto in der Schweiz so zugelassen. 

Da der Auflieger schon lange geliefert worden war, gab es kein Halten mehr. Anhängen und losfahren. Gewaltiges Gespann: 7 t und zirka 16 m Länge. 

Was für ein Schock: Das Gewicht des Hängers drückte den Pickup in die Knie. Wieder in die Werkstatt, um eine Luftfederung nachträglich einbauen zu lassen. Gesagt, getan. Natürlich braucht es ein zusätzliches DTC-Formular. Nach einer weiteren Umbauarbeit am Auto (neue Spiegel wegen der Breite des Aufliegers) war das Gespann einsatzbereit.

Ab in die Ferien

Nein, Corona lässt es nicht zu. Kein Campingplatz ist offen, das konnte doch nicht sein! Ruth und die Kinder (ich natürlich auch) wollten endlich campieren. Eine Lösung musste her. Zum Glück konnten wir auf ein Gelände fahren, wo niemand war. Bei der Firma hatte ich kurzerhand den Parkplatz beschlagnahmt und so war über Auffahrt grosse Premiere. 

Autark campen, kein Problem mit 200-lFrischwasser-, 300-l-Grauwasser- und 200-lSchwarzwasser-Tank, Heizung mit Dieselantrieb, grosser Batterie, automatischer Sat-Anlage und TV mit 12 V, Kühlschrank und Boiler mit Gas. Ein Glücksgefühl der Freiheit kommt auf. 

Der Sommer sollte endlich kommen, den Campingplatz aussuchen und reservieren. Wir können nicht auf alle Campingplätze fahren, also zuerst anrufen und mitteilen, dass wir mit einem grossen (dies nochmals erwähnen) Gespann kommen. Der TCS Campingplatz Sempach ist vorbereitet für solche Gefährte, also ab dahin.

Nun war es Zeit für Ferien. Uns ist bewusst, dass wir eine kleine Attraktion sind. Aber dies ist kein Problem. Jeder, der den Auflieger begutachten will, darf dies selbstverständlich tun.

Für uns ist es ein Traum, mit diesem Gespann zu reisen und zu campieren. Dass dies nicht jedermanns Sache ist, liegt auf der Hand. Das Manövrieren auf der Strasse ist nicht schwerer als mit einem Wohnwagen, sicher sollten die Höhenangaben bei Unterführungen und Brücken berücksichtigt werden. Auf dem Campingplatz wird es herausfordernder. Kein Abhängen zum Rangieren möglich, also die Anfahrten unbedingt gut abklären. Das An- und Abhängen muss geübt sein, Millimeterarbeit ohne Rangierhilfe. Ich verstehe alle, die meinen, dass sei kein Camping mehr. Doch was ist Campieren? Das soll und darf jeder für sich selber entscheiden. Traum gegen Vernunft? Traum hat gesiegt.

Liebe Campingfreunde, ich freue mich, euch wieder einmal auf einem Campingplatz oder Rally zu begegnen.